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Brauchen wir eine Wiedervereinigung der Kirchen?

So fragte die „Bild“ kurz vor dem 500.Reformationstag. 5 Theologen und Journalisten kamen zu Wort und das Ergebnis war durchaus geteilt. Kardinal Marx (kath. Kirche) war dafür, Margot Käßmann (ev.Kirche) wegen der Männerdominanz in der katholischen Kirche zur Zeit noch dagegen.

Schade, dass kein freikirchlicher Theologe zu Wort kam. Da wirkt wohl noch die alte Ordnung des „Augsburger Religionsfriedens“ (1555) nach, die nur zwei legitime Kirchen zuließ, die alle anderen als Sekten bekämpfte und die im Bewusstsein der Leute noch immer lebendig ist. Doch ich äußere mich mal ungebeten. „Braucht es eine Wiedervereinigung der Kirchen?“ Schließlich hat Jesus gesagt: „Vater, ich bitte, dass sie alle eins sind.“ …

Aus freikirchlicher Sicht ist eine sichtbare, organisatorische und institutionelle Einheit der Kirchen a) nicht möglich, b) nicht ratsam und c) auch nicht notwendig.

a) Sie ist nicht möglich, da wir dafür Kernelemente unserer Identität ablegen müssten – oder andere Kirchen ihre. So sind katholische Lehren unvereinbar mit freikirchlichen Überzeugungen, etwa Papsttum, Sakramente, Heiligenverehrung und Ablasswesen. Für uns sind nicht Papst und Konzile normativ, sondern die Bibel allein, bedarf das durch Jesus erwirkte Heil keine Vermittler (Maria…) und darf man nicht zu Heiligen beten bzw. sie anrufen.

b) Sie ist nicht ratsam, da wir dafür unsere Berufung aufgeben müssten – oder andere Kirchen ihre. So versteht sich die ev. Kirche als pluralistische Volkskirche, die alle einbezieht und dafür einige Lehren relativiert (Bibel als Wort Gottes, der Sühnetod von Jesus, Jesu Auferstehung, Ethik …). Freikirchen verstehen sich hingegen als Bekenntniskirchen, die Jesus als einzigen Weg zum Heil bezeugen und einladen zur Umkehr und dem schmalen Weg der Nachfolge.

c) Sie erscheint uns auch gar nicht nötig. Das Eins-Sein, das Jesus meint, ist keine Organisation, sondern das Zu-Jesus-Gehören, die gemeinsame Nachfolge und die Liebe untereinander. Unser Leitbild ist nicht die Großkirche, sondern die vom Geist Gottes geleitete Kirche – eins durch Jesus als Haupt, eins durch den gemeinsamen Glauben, eins durch die Liebe untereinander. Und das geht über alle Konfessionsgrenzen hinweg! Gott sei Dank!

Theologisch und historisch ist die organisatorische Einheit der Kirchen also kein Anliegen der Freikirchen. Die vertrauensvolle und geistliche Zusammenarbeit zwischen den Kirchen aber, sie ist den Freikirchen sehr wichtig! Johann Gerhard Oncken, der Begründer der deutschen Baptisten, war schon 1846 an der Gründung der Ev. Allianz in London beteiligt, der ersten ökumenischen Arbeit überhaupt – ehe viele andere überhaupt an Ökumene interessiert waren! Der geschwisterliche Umgang und die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen, sie ist ein Herzensanliegen der Freikirchen! Und darum freuen wir uns sehr über die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Weinheim, in der „versöhnte Verschiedenheit“ zum Ausdruck kommt, gegenseitige Wertschätzung, Vertrauen und Zusammenarbeit - im Gebet, ökumenischen Gottesdiensten, der „Waldwoche“ für Kinder und der Hospizarbeit. In der gemeinsamen Asylarbeit mit der katholischen Kirchen lernen wir so viel Gutes über einander und vertreten unseren gemeinsamen Glauben in der Stadt! Viel besser als eine oberflächliche Vereinheitlichung ist doch einander wertzuschätzen, voneinander zu lernen und einander als Katholiken, Evangelische und Freikirchler zum ihrem eigenen So-Sein zu ermutigen!

Christian Pestel

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